Ein Tag im Leben eines Bestatters

Was sind eigentlich die Aufgaben eines Bestatters? Wussten Sie, dass diese je nach Kanton unterschiedlich sind? Und dass Sie unter Umständen als Hinterbliebene gar keinen Kontakt mit dem Bestatter haben? Dass Sie sich Ihren Sarg bereits zu Lebzeiten selbst aussuchen könnten? 

Wir durften den jungen Bestatter Sandro Egli bei seiner Arbeit begleiten. Wir erfahren, wie er seine Aufträge bekommt, und was sich in seinem Leben verändert hat, seit er Bestatter ist. 

 

 

Denkanstoss -Ein Tag im Leben eines Bestatters

 

Haben Sie schon mal darüber nachgedacht, in welchem Sarg Sie begraben werden möchten? Eine provokante Frage. Aber wieso ist sie provokant? Weil wir uns alle nicht gerne mit dem Thema auseinandersetzen. Jedoch ist es wichtig sich mit dem Thema zu befassen und sich die Fragen zu stellen. Denn je mehr man über das Thema weiss, desto besser kann man damit umgehen, wenn es einem dann mal selbst betrifft. Wir haben ein Gespräch mit Urs Gerber, Geschäftsführer von Gerber Lindau geführt.

 

Julia: Du bist Bestatter und Geschäftsführer in der Fabrik, Gerber Lindau. Sind alle Bestatter zusätzlich Schreiner?

 

Heutzutage nicht mehr. Das Ganze kommt daher, da Schreiner früher Särge gemacht haben. Der Fuhrmann brachte den Verstorbenen vom Sterbeort, meist zuhause, zum Friedhof. Heutzutage gibt es viel mehr Bestatter, die das Ganze Vollzeit machen. Es gibt auch noch viele Schreiner, die Bestattungen machen. Jedoch ist die Herstellung von Särgen die Arbeit von ein paar wenigen. Bestatter und Schreiner kaufen die Särge beispielsweise bei uns ein.

 

Wie unterscheiden sich in den verschiedenen Kantonen der Schweiz der Beruf des Bestatters? Machen Bestatter in jedem Kanton das Gleiche?

 

In Zürich, Thurgau, Schaffhausen und St. Gallen ist das Bestattungswesen über die Gemeinde organisiert. Wenn jemand stirbt, gehen die Angehörigen auf die Gemeinde. Die Gemeinde organisiert alles und die Bestatter führen das Besprochene aus.

Im Kanton Aargau und im südlichen Teil der Schweiz ist das Ganze privat geregelt. Was bedeutet, dass sich die Familie ein Bestatter aussucht.  Sie bespricht jeweils alles mit dem Bestatter. Dieser führt deren Wünsche aus.

 

 

Fehlt dir der Kontakt zu den Verbliebenen?

 

Oftmals haben wir kein Kontakt zu der Familie. Wenn jemand ausserhalb der Öffnungszeiten der Gemeinde stirbt, dann sind wir die erste Ansprechperson. Wir beraten diese im Kleinen, jedoch geht das Gespräch dann weiter auf der Gemeinde.

 

 

Wenn ihr keinen Kontakt zu den Hinterbliebenen habt, ist es dann nicht schwierig die Würde der Verstorbenen, die ihr beachten sollt, zu behalten? Wird das Ganze nicht zur Routine?

 

Es hat Vor- und Nachteile, wenn man nicht sehr engen Kontakt hat. Emotional kann ein solches Ereignis sehr einwirkend sein, auch bei uns, die das Umfeld ebenfalls miterleben.

Bei langer Zeit in diesem Berufsfeld gibt es verständlicherweise eine gewisse Routine, oder auch Professionalität. Uns ist es sehr wichtig, dass wir professionell arbeiten, den Verstorbenen alles schön herrichten. Auch so, dass die Familie jederzeit, wenn dies gewollt ist, Abschied nehmen kann. Zusätzlich haben wir immer wieder Teamsitzungen und Gespräche, wo wir darüber sprechen, wie wir das Ganze verbessern können.

 

 

Ich habe zuvor etwas provokativ gefragt, ob man sich seinen Sarg schon ausgesucht hat. Kommt es vor, dass Kunden zu dir kommen und sich ihren eigenen Sarg aussuchen möchten? Hast du das schon erlebt?

 

Ja, das kommt vor, immer wieder. Dass sie direkt zu uns in die Ausstellung kommen, ereignet sich eher weniger. Wenn sie den Sarg in Natur sehen möchten, können sie vorbeikommen. Zusätzlich haben die Gemeinden, mit denen wir zusammenarbeiten dürfen, ein Fotobuch Album mit den Bildern von uns, wo sie selbst oder die Familie ein Sarg auslesen kann.

Im Kanton Zürich gibt es ein Standartsarg, welcher von der Stadt zur Verfügung gestellt wird. Wenn die Familie etwas anderes möchte, kann sie dies im Album auslesen.

 

Was mich erstaunt hat, als wir vorhin noch auf dem Parkplatz standen, ist, dass deine Fahrzeuge nicht beschriftet, sondern einfach schwarz sind. Warum ist das so?

 

Unsere Wägen erkennt man auf der Strasse nicht als Bestattungsfahrzeuge, es könnte auch eine Familienlimousine sein, oder ein Van. Wir arbeiten im Auftrag der Gemeinde. So kommen wir im Auftrag der Gemeinde Lindau oder Effretikon, aber nicht als Bestattungsdienst Gerber Lindau. Von dem her erübrigt es sich, dass wir Werbung machen.

 

 

Wir dürfen nun Sandro, einen Angestellten der Gerber Lindau AG begleiten. Er weiss bei Arbeitsbeginn nicht, was ihn erwarten wird. Jeder Tag ist anders. Sandro hat seine Aufträge bei der Disposition abgeholt. Als erstes geht es für ihn zu einem Altersheim. Angekommen beim Altersheim frage ich ihn, was er nun tun muss?

 

Sandro: Ich habe mich gerade im Heim angemeldet und nun kommt eine Pflegefachfrau und führt mich zu der verstorbenen Person.

 

Bist du immer alleine unterwegs?

 

Meistens ja, ausser ich habe ein Trauerhaus, da bekomme ich einen Mitfahrer, welcher mit dem privaten Auto kommt. Oder wenn ein Polizeieinsatz ist, kommt auch ein Mitfahrer mit dem privaten Auto an Einsatzort mit.

 

 

Wie funktioniert das nun mit dem Sarg?

 

Nun gehen wir nach unten in die Aufbahrung, beten den Verstorbenen ein und nehmen ihn mit.

 

 

Wir stehen jetzt neben einem kürzlich verstorbenen Mann. Für mich immer noch ein komisches Gefühl. Wie geht es dir dabei?

 

Mir geht es sehr gut dabei. Das ist mein Alltag. Die Verstorbenen besitzen etwas Friedliches.

 

 

Gibt es etwas, auf das du achtest?

 

Mir ist es wichtig, dass ich jeden Kunden mit Respekt behandle. Jede Person ist speziell, dass auch nach dem Tod.

 

 

Hast du spezielle Utensilien, die du dabei brauchst?

 

Ja ich habe mein Bestatter Täschchen, das "Strähl, Kamm und Schären" beinhaltet. Ich schaue, dass die Kleider überall schön sitzen, die Frisur sitz und die Augen geschlossen sind.

 

 

Ich bin sehr überrascht, wie gefühlvoll und bemüht du deine Arbeit machst. Warum bist du Bestatter geworden?

 

Es war schon lange ein Wunsch von mir, Bestatter zu werden. Schon früh, mit 20ig, habe ich mich bei Gerber Lindau beworben. Dieser meinte, ich wäre noch zu jung und sollte es mit 30ig nochmals versuchen. Nun bin ich 30ig und es hat zum Glück funktioniert.

 

 

Beim Verlassen des Altersheims durch den Hinterausgang frage ich Sandro; Warum wird der Verstorbene nicht durch die Vordertüre aus dem Heim transportiert? Wird das nicht gemacht? Hättest du es gerne anders?

 

Das wird gemacht, damit die anderen Bewohner nicht den Sarg sehen müssen. Ich persönlich finde, wenn die Personen durch den Vordereingang ins Heim kommen, sollten sie auch durch den Vordereingang das Heim wieder verlassen dürfen.

 

Was passiert mit dem Sarg, nachdem er ins Auto getragen wurde?

 

Er wird ins Krematorium gebracht. Dort wird er abgeladen und in die Kühlung gelegt.

 

Wir sind nun beim Krematorium, welches wir aber nicht betreten werden. Wie kann man sie die Räume drinnen vorstellen?

 

Drinnen hat es diverse Aufbahrungsräume. Ausserdem ein Vorbereitungsraum, wo wir die Verstorbenen vorbereiten dürfen und den Kühlraum. Dahinter befindet sich noch eine Ofenhalle mit sechs Kremationsöfen.

 

Kannst du immer jemanden bringen oder müsst ihr bestimmte Zeiten beachten?

 

Nein wir dürfen Verstorbene rund um die Uhr anliefern.

 

 

Ich hätte noch eine weitere Frage, du bist erst seit Kurzem Bestatter, hat sich etwas in deinem Leben geändert, seit du Bestatter bist?

 

Ich habe das Gefühl ich lebe mein Leben ein wenig bewusster. Ich sehe jeden Tag, dass das Leben jederzeit vorbei sein könnte und darum geniesse ich den Moment.

 

 

Wenn du jemanden kennenlernst, erzählst du denen gleich, was dein Beruf ist?

 

Es kommt darauf an. Ich sage es nicht gleich von Anfang an, aber gehe sehr offen damit um.

 

 

Was denkst du, warum du dein Beruf nicht gleich erzählen möchtest?

 

Das Thema Tod ist weiterhin ein grosses Tabuthema und viele Menschen haben immer noch grosse Mühe damit.

 

 

Darum möchten wir dieses Thema ansprechen. Es hat mich beindruckt, dass man mit 20ig sagen kann, Bestatter ist mein Traumberuf. Was mich jedoch nachdenklich gemacht hat, ist die Tatsache, dass ein Sarg in dieser Weise vor der Öffentlichkeit versteckt werden muss.

Ich habe Urs Gerber gefragt, wie es früher gewesen ist.

 

Urs: Ja, es hat sich verändert. Früher ist man zuhause gestorben und hat Zuhause eingebettet.

 

Was denken Sie darüber, wenn die Verstorbenen in Zukunft das Heim durch die Vordertür herausgebracht werden und nicht mehr versteckt? Oder Leichenwagen angeschrieben werden? Was denken Sie darüber?

 

Interview - Julia Zink | Anima Tua